The Last of Us Part II erschien am 19. Juni exklusiv für PlayStation 4. Das Spiel setzt die Geschichte rund um Ellie fort, die sich fünf Jahre nach den Ereignissen des preisgekrönten ersten Teils auf einer gnadenlosen Vergeltungsmission befindet. Dabei muss sie sich den verheerenden körperlichen und emotionalen Auswirkungen ihrer Taten stellen.
Zum Testen wurde uns freundlicherweise ein PS4 Key zur Verfügung gestellt.
Gleich vorweg, The Last of Us Part II ist ein technisch herausragendes, inhaltlich ambitioniertes und thematisch zumindest streitbares Spiel für Erwachsene, welches mich über knapp zwei Wochen und beinahe 30 Stunden Spielzeit intensiv beschäftigt hat.
Außerdem ist es aber auch ein Spiel, welches eine brennende Debatte, vernichtendes Review bombing und – auf seinem traurigen Höhepunkt – sogar Morddrohungen gegen eine der Hauptdarstellerinnen ausgelöst hat. Da ich mit meinem Review mittlerweile ziemlich hinten an stehe werde ich mich nach der eigentlichen Kritik am Spiel, welche in einen spoilerfreien, technischen Teil und eine ungezügelte inhaltliche Auseinandersetzung aufgeteilt wird, auch um eine vorsichtige, subjektive Aufarbeitung dieser Popkulturellen Ausnahmesituation bemühen.
The Last of Us Part II ist, der Titel lässt es erahnen, der direkte Nachfolger von The Last of Us, Naughty Dog’s postapokalyptischem survival Road Trip von 2013. Das Spiel setzt 5 Jahre nach den Ereignissen des Vorgängers an. Ellie und Joel, unsere liebgewonnenen (Anti-)Helden von damals haben eine idyllische, neue Heimat gefunden und können sich, nach Jahren des Überlebenskampfes, zur Abwechslung um persönliche Probleme kümmern. Viel Zeit zum plaudern und Wohlfühlen bleibt aber nicht, denn dramatische Ereignisse bringen einen brutalen Rachefeldzug in Gang, der unsere Protagonisten weit aus der neuen, vermeintlich sicheren Heimat fort und knietief in Blut und Pilzsporen führt.
Technisch betrachtet ein Meisterwerk
The Last of us Part II ist vielleicht das visuell beeindruckendste Spiel, das je über meine Flimmerkiste gelaufen ist. Uncharted 4 war ja schon unfassbar schön, The Last of Us Part II setzt da aber nochmal eine kleine Schippe drauf. Gerade bei den Gesichtsanimationen hat man sich mal wieder selbst übertroffen. Es gibt auch ein paar optische Schattenseiten, wie die Spielfiguren zum Beispiel über Kanten balancieren bevor sie von Anhöhen hüpfen oder irritierende Reflektionen der Taschenlampe, grundsätzlich kann ich aber sagen, dass mir The Last of Us Part II regelmäßig den Atem geraubt hat. Seien es die verschneiten oder in warme Sonnenuntergänge getauchten Panoramen, die bereits erwähnte, sensationell animierte Mimik der Charaktere oder die schaurigen Pilzkreaturen die so unappetitlich detailliert durch die modrigen Büroräume schlurfen, technisch ist das Spiel ein Meisterwerk. Charaktermodelle, Animationen, Grafikdesign, alles sensationell. Es gab ein paar Momente in denen ich den Eindruck hatte, das Spiel wäre aus der uncanny valley plötzlich in den Fotorealismus gesprungen.
Aber auch das Sounddesign verdient nichts als Lob. Die Gitarren klingen wie selbst gezupft, Regen plätschert fröhlich vor sich hin oder donnert und kracht bedrohlich über die Szenerie. Die Waffen scheppern brachial, die Infizierten röcheln und klicken angsteinflößend vor sich hin und insgesamt hält das Spiel allein über sein Gerüst aus Gegner- und Leveldesign sowie die Soundkulisse eine oft atemberaubend dichte Atmosphäre über etliche Stunden hinweg aufrecht.
Beim Gameplay wurden, im Vergleich zum sieben Jahre alten Vorgänger auch noch ein paar Schippen drauf gelegt. Um eine gameplay Revolution handelt es sich zwar nicht, aber die erwartet sicher auch niemand. Stattdessen wird sinnvoll auf dem Fundament des Vorgängers aufgebaut und schleichen wie Kampf um Facetten und Möglichkeiten erweitert. Das Seil und seine Physik aus Uncharted 4 haben hier einen Gastauftritt und werden für das eine oder andere Rätsel verwendet, ansonsten hat sich das Waffenarsenal leicht vergrößert, ebenso wie der Skilltree. Gegner sind besser organisiert, cleverer und haben mehr Persönlichkeit als noch im Vorgänger. Die Kampfarenen sind durch die neuen Möglichkeiten und Herausforderungen, aber auch durch ihre insgesamt größere Dimension spannender und unterhaltsamer, moralische Implikationen einmal aussen vor.
Gerade in der ersten Spielhälfte habe ich mich nämlich deutlich wohler gefühlt menschliche Gegnergruppen vollständig zu umschleichen, zumindest soweit das Design das zuließ. Sobald ich mit Gegnern konfrontiert wurde habe ich mich erstmal in Deckung verkrochen und gelauscht, um mir, wie im Vorgänger, Feinde auch durch Hindernisse hindurch anzeigen zu lassen. Dann die ideale Route ausgespäht und entweder geduckt oder auf dem Bauch kriechend, möglichst ungesehen, im hohen Gras und hinter Hauswänden, Möbeln und Schrott Deckung suchend an so vielen Wachen vorbei geschlichen wie möglich. Nur im Notfall habe ich einzelne Gegner von hinten überwältigt und getötet, was in einer besonders martialischen Animation dargestellt wird. Ellie hat offensichtlich keinen Spaß an dem was sie hier tut und auch ich hatte immer wieder ein schlechtes Gewissen wenn es sich das töten trotz bester Absichten nicht vermeiden ließ. Selbst wenn ich entdeckt wurde habe ich zunächst immer erst versucht mich wieder zu verstecken oder zum nächsten Checkpoint zu flüchten, nur hier und da ein paar crafting Materialien für die eine oder andere Rauchbombe einsammeln. Das ist auch dank der größeren Level immer wieder möglich gewesen, hat allerdings die Balance ein wenig aus den Fugen gebracht, weil ich so immer mehr als genug Ressourcen gegen die Infizierten aufwenden konnte, gegen die ich weit weniger zimperlich vorgegangen bin.
Das war aber ein guter Anlass ein wenig in dem Schwierigkeitsgrad-Menü zu stöbern und dieses Spiel lässt einen wirklich alles regulieren was das Herz begehrt. Sowohl das KI-Verhalten, als auch das eigene Durchhaltevermögen sowie das Waffenverhalten und jede nur erdenkliche visuelle Anpassung. Was Zugänglichkeit angeht setzt The Last of Us Part II neue Maßstäbe. Einzig das Rütteln des Controllers um den Wackelkontakt der virtuellen Taschenlampe zu beheben konnte ich nicht deaktivieren. Ich habe jedenfalls das Ressourcen Angebot leicht herunter gefahren und dafür meine KI Begleiter etwas aggressiver gemacht. Damit habe ich gleich noch zwei der für mich etwas größeren Dissonanzen im Spiel etwas ausgebügelt: Die hervorragend vertonten, lebendig wirkenden Mitstreiter, die auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad in Auseinandersetzungen zu selten wirklich nützlich werden und die Intensität und Glaubwürdigkeit des survival Charakters wenn man flexibel sein gesamtes Arsenal verbrauchen und nicht an allen Ecken und Enden Munition liegen lassen muss. Letztendlich bleibt es aber jedem selbst überlassen wie er The Last of Us Part II spielen will, zumal es keine Trophäen für das Erreichen des Abspanns auf verschiedenen Schwierigkeitsgraden gibt und weil sich alle Herangehensweise an die einzelnen Spielelemente und Auseinandersetzungen durch die Handlung und ihre Charaktere rechtfertigen lassen. Ob man lieber schleicht oder alles und jeden bei Sichtkontakt mit Explosivpfeilen in 1000 Stücke sprengt.
Die unendliche Geschichte
Die Auseinandersetzungen mit der KI sind das absolute Highlight von The Last of Us Part II. Wo ich mich im Vorgänger noch oft in Geduld üben musste und endlich den nächsten Storybeat erleben wollte ist es in der Fortsetzung beinahe andersherum, tatsächlich ist beides aber besser ineinander verwoben. Zumindest das organische Storytelling durch Leveldesign, Gegnerplazierung und Briefe sowie andere Hinterlassenschaften, die oft herzzerreißende, kleine Geschichten erzählen und die meist ohnehin spannenden Gefechte durch eine zusätzliche, emotionale Ebene erweitern.
Die packendsten Momente des Spiels waren immer die, in denen ich mit dem Rücken zur Wand einer Horde infizierter, einer Patroullie oder gleich beidem gegenüberstehe. In einigen, besonders intensiven Szenen kann man hier die beiden Bedrohungen gegeneinander ausspielen, die markerschütternden Schreie die darauf folgen verhindern dabei aber ein Triumphgefühl, im Austausch für eine glaubwürdig düstere Atmosphäre.
Während sich The Last of Us Part II also technisch auf allerhöchstem Niveau präsentiert und dazu ein bemerkenswert spannendes Gameplayfundament bietet, überstrapaziert es leider das höchste Gut des Storybasierten Spiels, die Handlung. Bei einer Laufzeit von 20-30 Stunden erlebt man zahlreiche eindrucksvolle, emotionale, herzzerreißende und schmerzhafte Höhepunkte, laute wie leise. Im Verlauf des Spiels wurden das aber so viele dieser Momente, dass sie nach und nach ihre Wirkung oder zumindest an Intensität für mich verloren haben. Dazu kommen geradezu redundant wiederkehrende Motive und teilweise sehr eigenwillige bis befremdliche Entscheidungen was die generelle Struktur des Spiels angeht; wesentliche Motivationen werden da schonmal als Twists in den wild zusammengewürfelten Flashbacks versteckt. Ein gutes, spoilerfreies Beispiel für die erwähnten Motive sind übrigens die – an teiweise völlig unpassenden Stellen im Spielverlauf positionierten – Gitarren, die zwar einen durchaus charmanten Rahmen um die Handlung legen, aber nur selten die erwünschte, emotional aufgeladene Metaphorik unterfüttern und stattdessen oft fremd und deplaziert wirken, sodass sie Charaktere und deren Motivation ein Stück unglaubwürdiger erscheinen lassen. Warum schafft es Ellie auf ihrem tödlichen Rachefeldzug nicht eine Woche lang die Finger von jeder herumliegenden Klampfe zu lassen? Selbst wenn hier ein derart stimmungsvoller Gitarrensimulator drin steckt, dass ich nach Abschluss des Spiels zum ersten mal seit drei Jahren meine eigene Gitarre abgestaubt und angestimmt habe.
The Last of Us Part II ist ein absolut faszinierendes Stück Popkultur. Zum einen die Klassische Blockbuster Fortsetzung, größer, schöner, mehr von allem, zum anderen eine nuancierte Auseinandersetzung mit komplexen Themen und Charakteren. Dabei werden die opulenten Schauwerte aber etwas vom melodramatischen getrübt und die feineren Facetten gehen zu oft im Bombast unter und so scheitert es ein Stück weit an der Last, die es sich selbst auferlegt. Ein paar Schnitte, eine bedächtigere Anordnung der Spielabschnitte und einiger Gameplayelemente und wir hätten vielleicht das thematisch engagierteste und zugleich spannungsgeladenste Videospiel des Jahres bekommen. Stattdessen liefert uns Naughty Dog eine atemberaubende, erschöpfende tour de force, an deren Ende man zwar immer mit (und dank) den Protagonisten gelitten hat, allerdings ohne eine erwünschte Katharsis zu empfinden. Am Anfang besteht noch der Eindruck einer sorgfältig abgestimmten Spannungskurve, zur Mitte des Spiels hatte ich dann das Gefühl man habe den DLC gleich mit eingebaut und am Ende, nach zahllosen Höhepunkten und Schlussakkorden, war ich nur noch erleichtert endlich den Abspann erreicht zu haben.
Ich muss mich unwillkürlich an mein Zwischenfazit in der Pixel.Magazin Whatsapp Gruppe erinnern: „Ich hab mittlerweile etwa 10 Stunden gespielt und bin noch nicht restlos 10/10 begeistert, die 9 wäre dem Titel aber nur durch schwere Unstimmigkeiten in der Fortlaufenden Handlung zu nehmen.“ 20 Stunden später war ich bei einer 7.
Jeder der sich fundiert an der kontroversen Auseinandersetzung um das Spiel beteiligen will muss selbstverständlich gleich zugreifen, allen anderen würde ich gerne empfehlen ein wenig Gras über die Sache wachsen zu lassen, auch wenn das in der aufgeheizten Atmosphäre zurzeit undenkbar scheint.
Spoileralarm
Ich habe bis jetzt mein bestes getan vage zu bleiben was die Handlung angeht, es gibt aber vor allem ein Spielelement das ich in einer ausgewogenen Kritik zwingend benennen muss um eine sinnvolle Besprechung überhaupt zu ermöglichen: Den Gameplay Twist in der Spielmitte. Der war nicht grundlos in den ersten Kritiken noch einem Embargo unterlegen, denn es handelt sich um einen massiven Spoiler. Jeder, der grundsätzlich Interesse daran hat The Last of Us Part II so zu spielen, so wie die Entwickler es vorgesehen haben, der sollte spätestens hier aufhören zu lesen, denn ich werde im Folgenden jeden, meines Erachtens nach, relevanten Plotpoint besprechen und alle größeren Wendungen vorweg nehmen. Ihr seid gewarnt.
Tatsächlich wird der spätere Twist schon in den ersten paar Spielstunden angedeutet, noch vor dem katalytischen Ereignis, das die Handlung in Gang bringt. Das Spiel eröffnet mit Joel, der für uns, bzw seinen Bruder Tommy, die wichtigsten Informationen aus dem Vorgänger revue passieren lässt. Gute, alte Zeiten. Im Anschluss spielen wir Ellie, zum Einfinden in die neue Spielwelt und ihre Begebenheiten. Wir lernen ihren besten Freund Jesse und dessen Ex Dina kennen, Ellies Loveinterest. Pikant. Und plötzlich spielen wir Abby, eine bisher unbekannte, dritte Spielfigur, stoisch und getrieben von einer unheilvollen aber unbekannten Motivation. Nach zwei bis drei Stunden im Spiel treffen diese drei schließlich aufeinander und ein paar Lücken schließen sich: Abby wird die Antagonistin des Titels, so viel steht fest nachdem sie Joel angeschossen und erschlagen hat. Ihre Freunde die sie dabei unterstützen, Tommy und Ellie in schach halten, gesellen sich als Zwischenstopps auf meine To Do Liste der Vergeltung. Ich begebe mich in der ersten Spielhälfte also als Ellie auf einen blutigen Rachefeldzug und streiche auf meinem Weg auf meist unangenehm martialische Weise Abbys Freunde von der Liste um meinem eigentlichen Ziel näher zu kommen. Dabei bin ich selten alleine. Von Beginn an an meiner Seite, durch dick und dünn, ist Dina, Ellies brandneue Freundin und Fels in der Brandung. Und während mir die beiden in ihren Interaktionen durchaus sympathisch sind und, gerade was das Medium des Videospiels angeht, eine nachvollziehbare dynamik miteinander haben, bleibt die große Liebe der beiden eine Behauptung oder jugendliche Unbedarftheit. Und damit auch Dinas Motivation Ellie auf ihrer Selbstmordmission zu begleiten. Dazu kommt eine unerwartete Schwangerschaft und dann überschlagen sich die Ereignisse auch geradezu, wie in einer Screwball Komödie, bis zu dem vermeitlichen Höhepunkt des Spiels, an dem Ellie aber nicht Abby, sondern ihre hochschwangere Freundin tötet. Eine Szene die mich ca 30 Sekunden lang betroffen gemacht hat, bis ich an dieses George Lucas Zitat von sich reimender Handlung denken musste, plötzlich wirkte die Szene eher wie ein billiger Schockeffekt, geradezu albern, aber hey, es reimt sich. Dieses Gefühl verstärkte sich bei mir sogar noch, als Ellie und Abby endlich abermals aufeinander treffen. Da kommt es dann nämlich nicht zum lang ersehnten Showdown, stattdessen wechselt die Perspektive zu Abby, und ich spiele nun ihre Seite der Medaille.
Grundsätzlich ist es ein bemerkenswerter Kniff den Naughty Dog da bemüht, allerdings fangen hier auch meine größten Schwierigkeiten mit dem Storytelling an. Zum einen baut die Handlung über etwa 10-15 Stunden eine Konfrontation auf, die jetzt nochmal gut 10 Stunden bis zu ihrer Auflösung brauchen wird. Zum anderen bewahre ich mir zu Abbys Freunden immer eine angenehme Distanz, ich weiß schließlich schon welches Schicksal die meisten ereilen wird. Dafür habe ich aus der Perspektive der begnadeten und austrainierten Kriegerin Abby auf Anhieb deutlich weniger Hemmungen meinen Widersachern den gar aus zu machen. Der Wechsel bringt also durchaus etwas frischen Wind in das Spiel.
So ist es, von der Idee her, auch durchaus interessant Abbys Umfeld auf diese Weise kennen zu lernen, und darüber natürlich auch Abby selbst. Ich komme aber nicht umhin mich zu fragen wie viel eindrucksvoller all diese Figuren und Ereignisse wären, wenn ich sie ineinander verwoben erlebte, mit beiden Charakteren gleichermaßen mitfiebern, auf ein versöhnliches Aufeinandertreffen hoffen, mir die unausweichlich gewaltsame Zuspitzung der Ereignisse schon ausmalen könnte. Zumal sich Ellies und Abbys Geschichten nach dem Prolog kaum noch überschneiden, weder geografisch noch thematisch. Während es für Ellie ausschließlich um die Erfüllung ihrer Rache geht hat Abby die ihre schon weitgehend verarbeitet und mitterweile ganz andere Probleme. Zwar gibt es einen vergleichbaren dramaturgischen Rahmen für die Protagonistinnen, aber das zunächst dominierende Motiv der Rache und ihrer sinnlosen Zerstörungskraft tritt in den Hintergrund um einem B-Plot um Fanatismus, Hass und deren sinnlose Zerstörungskraft sowie für Abbys Läuterung Platz zu machen. Auch hier lernen wir interessante Charaktere kennen – eine ganze Menge sogar, aus beiden rivalisierenden Lagern – die auch hier oft sterben, bevor sie einen bleibenden Eindruck oder eine greifbare Persönlichkeit hinterlassen können und ohne angemessen betrauert zu werden. Und auch hier bleibe ich mit meiner Frage zurück, warum ich mich 30 Stunden durch dieses Epos schlachten muss, wenn der einzige Tod der mich wirklich trifft mir bereits nach 3 Stunden Spielzeit in die Magengrube schlägt.
Ich fantasiere, seit ich das Spiel durch habe, wie viel interessanter es gewesen wäre Abbys Werdegang konsequent von Beginn ihres Rachefeldzuges an zu begleiten, mit Joel als dramatischem Endboss, um anschließend in Ellies vertraute Fußstapfen zu treten und ihre Rache zu vollziehen. Moralische Dilemmata und den unmittelbaren Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt inklusive. Oder wie viel inteniver ich Ellies Rachegelüste nachfühlen könnte, wenn ich mehr Zeit in Jackson, mit Joel und ihren Freunden verbracht hätte. Wäre mir Jesses Tod dann zu Herzen gegangen, oder hätte die atemlose Inszenierung sein Ende auch dann noch unter sich begraben?
Ich habe The Last of Us Part II über weite Strecken mit falschen Hoffnungen und Erwartungen gespielt und wurde teilweise unangenehm von Wendungen überrascht, gelegentlich von meiner Rolle als bloßem Zuschauer frustriert.
Und so bin ich mir nicht gänzlich sicher, ob mich am meisten an dem Spiel ärgert, dass ich so viel verschenktes Potential sehe oder ob ich einfach deutlich zu hohe oder gar gänzlich falsche Erwartungen an die Handlung hatte. Ich hatte mir ein feinsinniges coming of age Drama erhofft, in dem unsere junge Heldin, von Hass und Rachdurst geplagt, auf eine Reise geht auf der sie feststellt, dass es Dinge gibt die man hinter sich lassen muss, dass das Leben wertvoller ist als derart weggeworfen zu werden, auch und gerade in der Postapokalypse, nur um von der Realität ihres gewählten Pfades eingeholt zu werden. Stattdessen bekam ich eine Parabel über Rache vorgesetzt, die ihre stärksten Eindrücke manchmal kaum länger als 30 Sekunden sacken und reflektieren lässt und an den unpassendsten Momenten die Gitarre auspacken und Wonderwall spielen will. Einige Entscheidungen befürworte ich, Technik und Gameplay sowieso, aber auch in der Handlung und bei den Charakteren. Andere bewundere ich, auch wenn ich mir andere Entscheidungen gewünscht hätte. Manchmal kann ich aber einfach nur den Kopf schütteln. Und das hat The Last of Us Part II mich gelehrt, wenn man mit derart vielen Eindrücken überhäuft wird bleiben nur die intensivsten hängen und oft eher die negativen als die positiven.
Das Spiel ist die tour de force die es offensichtlich sein will, das liegt zum einen an der drastischen Inszenierung, wenn ich für Ellie in einer Folterszene zum interagieren gedrängt werde, wenn Gegner röchelnd ihr Leben aushauchen und von Kameraden betrauert werden, es liegt aber auch daran, dass es einfach kein Ende nehmen will. Es ist ein Spiel so voller Schönheit und Grauen dass am Ende nur die stärksten Eindrücke wirklich hängen bleiben.
Die große Spaltung der Fangemeinde
An diesem Punkt in meinem Artikel möchte ich einmal explizit darauf hinweisen, dass Werke der Kunst und (Pop-) Kultur unterschiedlich interpretiert werden können. Alle erdenklichen, emotionalen Reaktionen auf Geschichten und Bilder sind gleichermaßen legitim wie wünschenswert, so lange sie einigermaßen zivilisiert bleiben versteht sich. Und doch war ich von der Handlung und der Struktur des Spiels vielleicht auch darum so enttäuscht und irritiert, weil so viele andere Pressestimmen den Titel gefühlt unisono unisono zum virtuellen Heilsbringer erkoren hatten.
Nachdem ich mich intensiver damit beschäftigt habe kann ich auch verstehen, warum insbesondere Spielekritiker The Last of Us Part II teilweise in den Himmel loben. Oberflächlich ist das Spiel zwar nur ein weiteres Zombie Survival Game, aber inhaltlich, thematisch geht es derart selbstsicher seinen eigenen Weg, es ist schwer das nicht zu bewundern. Und es ist völlig legitim die getroffenen Entscheidungen und gewählten Motive zu befürworten, zumal es ja wirklich starke Elemente gibt die sehr bewegend sein können, auch wenn ich mir persönlich eine andere Erzählung gewünscht hätte. Und damit kann ich natürlich auch die andere Seite des Spektrums durchaus nachvollziehen, bis zu einem bestimmten Punkt.
Es ist ein Titel, wie es ihn selten gibt, The Last Jedi wird nicht ohne Grund als Vergleich herangezogen. Es gibt viel Licht und viel Schatten bei diesem Stück Software und es gibt offensichtlich eine Fangemeinde, die sich um Erlebnisse und Wünsche betrogen fühlt und ihrem Frust Luft machen will, teilweise bis auf’s Blut.
Im großen und ganzen spricht der empörte Aufschrei für das Spiel. Es mag ein polarisierender Titel sein, aber er erzeugt intensive Gefühle bei einem breiten Spektrum von Gamern, sowohl positiv als auch negativ, wobei negative Gefühle im Kontext eines Spiels auch nicht unbedingt etwas schlechtes sind. Auch auf diesem Weg kann das Spiel ein Ventil sein, um Frust und Ärger auf einem ungefährlichen Weg freie Luft zu machen. So weit, so gut. Allerdings haben einige Spieler weit weniger ungefährliche Ventile für ihren Frust gesucht
Nun sind die Kontroversen um das Spiel nicht bloß inhaltlicher Natur und generell bemerkenswert zahlreich. Die vollständig geleakte Story, und den – bei Spielen dieser Größenordnungen leider weitgehend üblichen – Crunch kann man dem Spiel selbst nicht vorwerfen. Dem Studio schon, das sich selbstverständlich um das Wohl seiner Angestellten zu kümmern hat. Diese Missstände rechtfertigen aber genau so selbstverständlich nicht die beachtliche Sammlung an Hasskommentaren – teils homophober oder antisemitischer Natur – und, ich erwähnte das zu Beginn dieses Artikels bereits, zahlreiche Morddrohungen gegen Schauspielerin Laura Bailey, welche Abby ihre Stimme geliehen hat und bei der Veröffentlichung diverser Gewalt- und Morddrohungen auf Twitter noch so umsichtig war enthaltene Spoiler zu schwärzen.
Aber der Reihe nach. Die Leaks waren der erste Dolchstoß in die, bis dahin weitgehend saubere Marketingfassade von The Last of Us Part II und noch bevor die Schuldigen identifiziert waren machten sich Gerüchte im Internet breit, ein frustrierter Angestellter von Naughty Dog habe das Material auf Youtube hochgeladen, mal wegen des intensiven Crunch und des schlechten Arbeitsklimas, mal wegen der vermeintlich zu linksliberalen Motive und einer politischen Agenda der Chefetage. Diese Gerüchte wurden zügig Dementiert, die wahren Schuldigen aber wegen laufender Ermittlungen nicht öffentlich gemacht, und so verbreiteten sich die ersten Trugschlüsse und Meinungsbilder rasant in den entsprechend interessierten Umkreisen. Das Reviewbombing war hier schon weitgehend unvermeidlich, die Stunde der Trolle hatte geschlagen. Die Hasskommentare gingen dem, wie selbstverständlich, einher. Mit den Morddrohungen gegen Bailey war die Eskalation dann auch perfekt. Die Frau kann schließlich nichts für die Twists und Geschehnisse im Spiel, die manchem Gamer gegen den Strich gehen.
Um das nicht gänzlich unkommentiert stehen zu lassen und bevor ich mich endlich den inhaltlichen Kontroversen zum Spiel widme dementsprechend noch ein paar Sätze dem Hass und der Wut gegen das Fremde und Unerwünschte. Die Gamingwelt ist ein bemerkenswerter Mikrokosmos. Zum einen wahnsinnig inklusiv und warmherzig, zum anderen aber auch gespalten, reaktionär und teilweise erschreckend aggressiv. Das hat natürlich eine Vielzahl an soziokulturellen Gründen – nicht zuletzt die Tatsache, dass es zu viele zwölf jährige mit unreglementiertem Zugang zum Internet gibt – aber da das hier immer noch eine Form von Spielberichterstattung und keine gesellschaftskritische Kolumne werden soll sage ich zu der dunklen Seite dieser Kontroverse lediglich folgendes: Videospiele sollten doch etwas für jeden sein. Ob jung ob alt, stark oder schwach, männlich, weiblich oder unentschlossen. Solange man das Gamepad oder jede beliebige andere Eingabe-Peripherie bedienen kann, warum sollte man nicht spielen dürfen? Und wenn man spielen darf, warum sollte es nicht auch für jeden eine Spielfigur geben dürfen, mit der man sich identifizieren kann? Es gibt im Triple-A Segment grob geschätzt drei Spiele in denen man keinen heterosexuellen Kerl spielen kann. Und ich für meinen Teil habe nicht das Gefühl durch den Perspektivwechsel zu Ellie und Abby etwas zu verlieren, ich habe das Gefühl etwas zu gewinnen. Eine zusätzliche Perspektive, eine klitzekleine Erweiterung meines beschränkten Horizonts, auch dafür spiele ich gerne Videospiele. Und wenn ich darauf keine Lust habe spiele ich stattdessen einfach Doom oder Animal Crossing oder irgend etwas anderes.
Eines will ich nochmal betonen. Ich verstehe jede Kritik an der Handlung, halte sie selber für aufgebläht und selbstgefällig, sie schwächt meine Wahrnehmung dieses storybasierten Spiels ganz gewaltig. Ich hatte trotzdem eine engagierte, interessante Zeit mit dem Titel, auch wenn es nach einer Weile recht zäh wurde. Und ich habe mit größtem Vergnügen nochmal das doppelte oder dreifache an Zeit in Nachbereitung und Recherche gesteckt und damit meine helle Freude gehabt eben weil es so eine engagierte Debatte gibt.
The Last of Us Part II ist bewusst kontrovers, das fängt mit dem Rachemord an Joel an und geht nicht nur mit dem Wechsel der Spielfigur auf dessen Mörderin weiter, sondern auch mit den brachialen Momenten auf dem Weg dahin. Und all das sind auch legitim kritisierbare Elemente im Spiel, denen ich mich mit größter Freude noch einmal kurz widmen werde. Möglicherweise etwas unstrukturiert und empörter oder kleinkarierter als nötig, aber ich hätte mir eben auch dringend eine andere Struktur gewünscht.
Eine der großen, inhaltlichen Kontroversen betrifft, das ist zu erahnen, den grundsätzlichen Perspektivwechsel auf Abby. Zu dem strukturellen Problem habe ich mich ja bereits geäussert und auch schon erwähnt, dass mich die Idee an sich fasziniert, nur die Umsetzung mich enttäuscht. Als Abby spiele ich auf Anhieb anders, was ich erfrischend finde, ihr Handlungsbogen weg vom Hasserfüllten macht thematisch Sinn, funktioniert aber nicht, weil er vollständig losgelöst von der Haupthandlung ist. Eine Idee dazu hätte ich, die folgt aber nachdem ich mich einem anderen großen, inhaltlichen Kritikpunkt widme.
Die vielleicht größte Kontroverse entspinnt sich nämlich zum Glück nicht um sexistischen und politischen Vorwürfe an das Spiel. Das kontroversteste Thema ist Joels Tod. Zum einen sei er zu brutal und unheroisch, zum anderen würde Joel sich uncharakteristisch verhalten, indem er sich einer Gruppe von bewaffneten Fremden so unvorsichtig offenbart. In Wahrheit ist es aber Tommy, der die beiden, um Atem ringend, hektisch und in einer absoluten Ausnahmesituation vorstellt. Und da hatte er erst kurz vorher von Joels Verrat an der Menschheit erfahren und bisher die Implikationen dieser Tatsachen kaum verarbeiten können. Joel weiß um seine Vergangenheit und reagiert entsprechend angespannt auf die sich zuspitzende Situation, coolen Oneliner inklusive. Nichts desto trotz, ich hätte die Szene auch anders gestaltet und sie vor allen Dingen später im Spiel stattfinden lassen.
Ich fürchte, ich wiederhole mich hier, aber wenn das Spiel mich schon so bewusst, moralisch herausfordern will, warum fange ich nicht gleich als Abby an, verliere meinen Vater an irgendein massenmordendes Arschloch, schwöre Rache, trainiere mich zur absoluten Kampfmaschine hoch und darf am Höhepunkt des Spiels endlich meine Rache vollziehen, an dem durchaus nachvollziehbaren, vielen liebgewonnenen Protagonisten aus Teil eins, der nicht nur Leichen, sondern die gesamte Menschheit im Keller hat.
Ich habe mich an der konkreten Szene an sich wenig gestört, für mich funktionierte sie durchaus nachvollziehbar als Grundstein für die Atmosphäre und Ellies Motivation. Ausserdem habe ich mich umso mehr über die ersten paar Rückblenden gefreut, bis der lange undefinierte Konflikt zwischen Ellie und Joel dargestellt wurde und ich das Gefühl bekam, das Spiel wüsste nicht mehr wie ich zum Verhältnis der beiden stehen sollte. Ganz zu schweigen von Ellie selbst, die einen steten Verfall in die Gewalttätigkeit durchmacht während sie fluchend und mordend durch die Szenerie wandert um gelegentlich Gitarre zu spielen und an jeder Ecke an Sympathie und Identifizierbarkeit verliert. Ich schweife ab. Ganz zum Schluss habe ich aber noch ein paar unsortierte Fragen an das Spiel um die Debatte am laufen zu halten:
Wie zur Hölle überlebt Tommy? Warum bekommt selbst Jesse kein bisschen wehklagen? Ich meine, der Gute stirbt immerhin gleich zwei mal. Wie hat Isaac mit seinem Fanatismus die WLF unter Kontrolle gebracht? Die Mitglieder wirkten überwiegend recht gewöhnlich, nicht wie die Kultisten der Gegenseite. Oder ist das die Message, die das Spiel machen will, die Fanatiker sind immer die anderen? Ich hatte das Gefühl da steckt eine interessante Geschichte dahinter, die nie beleuchtet wird. Und zu guter Letzt, jetzt begebe ich mich vollends in die Gefilde von Fanboy Wunschdenken: Wäre ein Heist Spiel, also ein cineastisch inszenierter, interaktiver Bank- oder Juwelenraub oder eine ganze Reihe dieser, nicht das perfekte Setting für das nächste Naughty Dog Spiel? Die Charaktere aus Uncharted und The Last of Us könnten beinahe eins zu eins übernommen werden, Schatzsucher und Schmuggler können sie offenbar schreiben, Heist-Elemente gab es vor allem in der Uncharted Reihe schon und ich stelle mir das ganze natürlich unfassbar spannend vor. In der Story-Phase spielt man Mini- Karten- oder Würfelspiele im Kasino um die Kameras und Wachleute auszuspähen, dann könnte eine kurze Planungsphase kommen in der man, ähnlich wie bei GTA 5, unterschiedliche herangehensweisen auswählen kann und zu guter Letzt kommt der spektakulär in Szene gesetzte Raub samt Verfolgungsjagd durch schillernde Metropolen und schäbige Seitenstraßen. Und dazwischen immer wieder Dialoge zur Charakterentwicklung und zum spinnen von Intrigen. Mit diesem Gedanken lasse ich euch zurück und widme mich endlich entspannterer Materie. Es ist langsam aber sicher bitter nötig. Kindererziehung in der Pandemie zum Beispiel. Bleibt gesund und streitet, aber bitte zivilisiert!
Fazit:
The Last of Us Part II ist ein interessantes Spiel mit wahnsinnig spannenden Elementen und einer deutlich überstrapazierten, aber zum Teil auch deshalb interessanten Handlung. Ein Blick lohnt sich, es wird aber definitiv nicht jedermanns Sache sein.